Ba’ja I (Jordanien)

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Der archäologische Fundplatz Ba’ja I (35°27’45″Ost/30°24’55″Nord und 1120 bis 1160 m NN) wurde zuerst von D. KIRKBRIDE (1961:448-451) erwähnt und später vielfach von M. LINDNER (Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg) untersucht und beschrieben. Es ist M. LINDNERs eindringlichem Hinweis auf die Bedeutung dieses Ortes zu danken, dass eine archäologische Untersuchung nicht ausbleiben konnte.

1. Zum Forschungsstand vor der Ausgrabung
Die von LINDNER am Fuße des Ba’ja-Massivs zuerst durch einen Survey erkundete ‚dörfliche Siedlung‘ bestand nach seinen Erkundungen aus mindestens 20 Gebäuden (LINDNER 1999:490), von denen aber „… ohne Ausgrabung nicht einmal ein Lageplan erstellt werden …“ konnte (LINDNER 1996:249). Die von ihm aufgesammelte Keramik von der Oberfläche des Ortes (insgesamt 60 Scherben) datierte er in die Eisenzeit II (möglicherweise von Ba’ja III), in die nabatäisch-römische und (quantitativ herausragend) in die späte islamische (ayyubidisch-mamelukische) Zeit (LINDNER 1986:116; 1999:491). LINDNER vermutete zumindest für die nabatäische Zeit eine größere Ansiedlung, die mit den nahegelegenen Zisternen, in den Fels geschlagenen Kanälen, der Terrassierung der Hänge des nahegelegenen Kegelberges und der Verbauung des Siq-Eingangs von el-Ba’ja in Verbindung stand.
Im Februar 1998 unternahmen H.-D. BIENERT (DEI-Amman) und R. LAMPRICHS (Dresden) eine weitere intensive Oberflächenbegehung (BIENERT/LAMPRICHS 1998). Dabei konnte eine größere Menge Keramik (279 signifikante Scherben) gesammelt, registriert und ausgewertet werden, die in vier Warengruppen aufgeteilt wurde und folgende Zeiten repräsentierte: spätislamisch-osmanisch, spätrömisch-byzantinisch, nabatäisch und eisen-II-zeitlich.

Ba’ja I, Jordanien

2. Ziele der Ausgrabung und Grabungsstrategie
Die Ausgrabung von Ba’ja I war Teil eines archäologischen Gesamtprojektes ‚Ba’ja – Archäologie einer Landschaft‘, die gemeinsam von H.-D. BIENERT (DEI-Amman), R. LAMPRICHS (Dresden) und D. VIEWEGER (Wuppertal) geleitet und großzügig von der Fritz Thyssen Stiftung und dem Deutschen Evangelischen Institut finanziert wurde. Ba’ja I (und später Ba’ja V) lagen in der Verantwortung von D. VIEWEGER.
Der etwas mehr als 150 x 70 m ausgedehnte Grabungsbereich von Ba’ja I liegt auf einem leicht ansteigenden Hügel und wird im Nordosten durch das Ba’ja-Massiv, im Westen von (potentiell nutzbarer) Ackerfläche und im Süden von einem Wadi begrenzt. Es erschien sinnvoll, für den Beginn der Ausgrabung einen durch seine Lage hervorgehobenen Bereich auszuwählen. Dabei fiel die Wahl auf den Hügel südöstlich des modernen, von Beduinen errichteten Steinhauses, der von seiner Oberflächenstruktur her eine hohe Wahrscheinlichkeit bot, auf gut erhaltene architektonische Reste zu stoßen. Es erschien weiterhin sinnvoll, mehrere der sich an der Oberfläche abzeichnenden Strukturen auszugraben, um deren eventuelle funktionale Verbindung erkennen zu können. Wie die Analyse der Mauerreste ergab, war nicht von je einzelnen ‚Häusern‘ auszugehen, sondern vielmehr von eng beieinanderliegenden Räumen, deren Zugehörigkeit zu größeren Einheiten ohne Ausgrabungen nicht ersichtlich ist. Beabsichtigt war auch eine geoelektrische Prospektion des Grabungsbereiches, wie sie vom Verfasser gemeinsam mit P. LEIVERKUS und E. LIPPMANN unmittelbar zuvor in Sal, nordwestlich von Irbid, erfolgreich durchgeführt worden war (KAFAFI/VIEWEGER), doch konnte aufgrund der extremen Trockenheit des Bodens dieses Verfahren nicht zur Anwendung kommen. Es erscheint sinnvoll, diesen Versuch in den Frühjahrsmonaten zu wiederholen.

3. Die Ausgrabungen
3.1. Der zentrale Bereich der Ausgrabungen (AA-AB 52-53 und AC 52)

Die Arbeit erstreckte sich über einen weit mehr als 120 qm großen Bereich. Schon sehr bald nach dem Beginn der Ausgrabungen zeichneten sich gut erhaltene Mauerstrukturen ab, die zumeist noch hoch anstanden. Insgesamt wurden sechs Räume freigelegt. Dabei ergab sich im zentralen Ausgrabungsbereich ein erstaunlich einheitliches Bild, wonach sich zwei islamische Siedlungsschichten unterscheiden lassen. Vorislamische Architektur war grundsätzlich nicht auszumachen, vorislamische Keramik nur äußerst selten festzustellen.

3.2. Der Grabungsschnitt nach Norden (AA 54-56)
Die Ergebnisse der ersten Grabungstage (besonders in AA 52) hatten es nahegelegt, dass die angegrabenen Räume mit ihren gut erhaltenen Mauern direkt auf dem Felsen gegründet worden waren. Wollte man nach früheren stratigraphischen Schichten suchen, musste man den Versuch wagen, in Bereiche vorzustoßen, an denen möglicherweise in spätislamischer Zeit keine Häuser (nach dem Oberflächenbefund nördlich, in unmittelbarer Nähe des Ba’ja-Felsmassivs) gebaut wurden. Außerdem erschien es sinnvoll, die Fortsetzung des Systems der islamischen Bebauung im zentralen Ausgrabungsbereich zu untersuchen. Die Fortsetzung der engen Bebauung im Rechteck-Raster konnte nach Norden hin tatsächlich nachgewiesen werden. Allerdings waren hier drei übereinander angeordnete islamische Strata vorhanden, wobei die jüngsten baulichen Strukturen rezent der sonst durchgängig zweiphasigen dörflichen Struktur des Siedlungsplatzes Ba’ja I nachfolgten.
Beachtlich ist die Tatsache, dass nördlich des ehemaligen Torbogens W 39 (lichte Höhe ca. 1,65 m) und unterhalb der islamische Mauern eine Feuerstelle aus nabatäischer Zeit (L 167; incl. Arbeitsstein) zu Tage trat.

3.3. Der Grabungsschnitt nach Süden (AB 45)
In Analogie zum Schnitt nach Norden sollte dieser Schnitt bis zum Wadi-Tal Fragen der Stratigraphie und der Art der spätislamischen Besiedlung beantworten. Die Ausgrabungsarbeiten stießen allerdings nur auf geringfügige Reste spätislamischer Mauern, die in den jungfräulichen Boden gegründet waren. Vorislamische Artefakte waren nicht aufzuspüren.

3.4. Der westlich vorgelagerte Hügel (K 51; L 51-52)
Die Frage nach vorislamischen Siedlungsschichten war während der Ausgrabungskampagne zunächst nicht zu beantworten. Während sich im zentralen Ausgrabungsareal keinerlei Anzeichen für derartige Kulturschichten oder auch nur von deren Resten (z.B. in den Füllschichten) zeigten und der Grabungsschnitt nach Norden lange Zeit in diese Richtung auswertbare Ergebnisse vorenthielt, brachte eine grundsätzliche Überlegung zur Lage und zum Umfeld von Ba’ja I den Durchbruch: Wenn die nahegelegenen Felder in nabatäischer Zeit bebaut worden waren, wofür die Kanäle, die Zisterne und die Wasserreservoirs sprechen, aber eine ausgedehnte nabatäische Siedlung nicht in den Blick kam, dann lag es nahe, über zwei Alternativen nachzudenken:

a) Lebte die nabatäische Bevölkerung hier nur saisonal (Zelte, Hüttenbebauung für die Winterzeit – wie die Beduinen des 19. und 20 Jahrhunderts im Großbereich um Ba’ja) oder
b) war Ba’ja I ’nur‘ ein Vorposten der nahen Hauptstadt Petra, der keine ausgedehnte Siedlung, aber doch Bewohner zur Wartung und Bewachung des umfangreichen Wassermanagements (Kanäle, Wehre, Wasserrückhaltebecken, Zisternen u.a.) sowie des Feld- und Weinbaus besaß.

Im ersten Fall ist der Nachweis in der vorfindlichen Situation, wo das ausgedehnte islamische Dorf seine Häuser konsequent auf den Felsen bzw. in die unberührte Erde gründete, nur sehr schwer möglich. Im zweiten Fall hätte aber in nabatäischer Zeit bei derartigen Anforderungen ein anderer Siedlungsort als unser zentraler Grabungsbereich nahegelegen, nämlich der nach Westen vorgelagerte Hügel, von dem man auch die nabatäische Handelsstraße Petra-Gaza beobachten und in dessen Schutz man am östlichen Abhang vorteilhaft siedeln konnte.

Beim wiederholten Abgehen des Geländes zeigte sich, dass der westlich vorgelagerte Hügel auf seinem felsigen abgeflachten Scheitelpunkt ausgearbeitet Konturen besitzt, die man als nahezu quadratische Grundfläche eines möglichen Bauwerkes, vielleicht eines Wachgebäudes, deuten kann. Da zudem an seinem Ostabhang an der Oberfläche nabatäische Keramik gefunden wurde, lag der Schluss nahe, dort ein weiteres Grabungsareal zu eröffnen. Zunächst wurde der Quadrant K 51 ausgegraben, dem L 51 und 52 folgten. Tatsächlich wurden hier Baureste (ca. 30-50 cm anstehende Mauern) gefunden, die zwei verschiedenen Strata zuzuteilen und wiederum in die islamische Zeit zu datieren waren. Der Nachweis vorislamischer Siedlungsspuren glückte schließlich im Grabungsquadranten L 51 unterhalb der islamischen Mauergründungen. Dort konnte mit der Mauer W 162 und den angrenzenden Loci L 161 und 163 ein rein nabatäisch-römisches Stratum freigelegt werden. In vergleichbarer Tiefe unterhalb der islamischen Bebauung enthielten auch die Loci 174-176 im Quadranten L 52 nur noch römische oder nabatäische Keramik.

4. Schlussfolgerung
Neben einer weiträumigen islamischen Dorfbebauung konnten nur an zwei Stellen Reste nabatäischer Aktivität nachgewiesen werden. Dieser Befund könnte so verstanden werden, dass in Ba’ja I neben einer ausgedehnten spätislamischen Siedlung durch zwei Zeitperioden wohl eher mit einem nabatäischen Außenposten (und temporärer Besiedlung) gerechnet werden muss als mit einer aufwendigen sesshaften Besiedlung.

5. Dank an das Ausgrabungsteam von Ba’ja I
Aufrichtig sei dem Ausgrabungsteam gedankt, Ute Koprivc (Wuppertal), Patrick Leiverkus (Wuppertal), Esther Reinighaus (Wuppertal), Isabell Möller (Nürnberg), Gerhard Reimann (Offenbach) sowie den ortsansässigen Beduinen, ohne die all die aufwendige Arbeit nicht hätte durchgeführt werden können.

Publikationen

  • Hans-Dieter Bienert; Roland Lamprichs; Dieter Vieweger unter Mitarbeit von Katrin Bastert, Janet Haberkorn, Nasser Hindawi et al.: Ba’ja – Archäologie einer Landschaft in Jordanien. Bericht über archäologische Feldforschungen, in: Ricardo Eichmann (ed.), Ausgrabungen und Surveys im Vorderen Orient I, Rahden/Westf., 2002, 159-213.
  • Hans-Dieter Bienert; Roland Lamprichs; Dieter Vieweger, in Zusammenarbeit mit Katrin Bastert, Janet Haberkorn, Nasser Hindawi et al.: Ba’ja – The Archaeology of a Landscape. 9000 Years of Human Occupation. A Preliminary report on the 1999 Field Season, Annual of the Department of Antiquities of Jordan, 2000, 119-148.
  • Dieter Vieweger: Ausgrabungen in Ba’ja I bei Petra, Welt und Umwelt der Bibel, 17, 2000, 75.
  • Hans-Dieter Bienert; Roland Lamprichs; Dieter Vieweger: Ba’ja – The Archaeology of a Landscape: 9000 Years of Human Occupation: Occident & Orient 4.1/2, 1999, 62-64.
  • Dieter Vieweger; Hans-Dieter Bienert; Roland Lamprichs: Ba’ja V. A Newly discovered Neolithic Site in the Ba’ja Region , Occident & Orient 4.1/2, 1999, 72.
  • Hans-Dieter Bienert; Roland Lamprichs; Dieter Vieweger: Ba’ja, American Journal of Archaeology, 104, 2000, 575- 576.

Bibliographie

BIENERT, H.-D./LAMPRICHS, R.
1998: Der archäologische Fundplatz Ba’ja I: Keramik der Oberfläche. Eine Auswahl, UF 30, 97-131.
KAFAFI, Z./VIEWEGER, D.
2000: Geoelectric and archaeological work at Sal, Jordan: Preliminary report about the 1999 season at the Chalcolithic and Early Bronze Age site, ADAJ, 173-199.

KIRKBRIDE, D.
1961: Ten thousand years of men’s activity around Petra: unknown and little known sites excavated or explored, ILN 239, 448-451.

LINDNER, M.
1986: Von Petra durch den Sik Umm el-Hiran nach Ba’adscha (Baga), in: ders. (ed.), Petra. Neue Ausgrabungen und Entdeckungen, München, 112-130.
1989: Ba’ja (Baja, Baga, Ba’adscha, Bajeh), in: HOMÈS-FREDERICQ, D./HENNESSY, J.B. (eds.), Archaeology of Jordan II/1, Akkadika Suppl. VII/VIII, 184-190.
1996: 9000 Jahre Siedlungsgeschichte der Ba’ja-Region in Jordanien – ein Forschungsgebiet der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg, Das Altertum 41, 245-278.
1999: Late Islamic villages in the greater Petra region and medieval „Hormuz“, ADAJ 43, 479-500.

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